Übersetzen
ist
tonloses Kommunizieren zwischen Sprachen, denn Übersetzer und
Übersetzerinnen arbeiten am Computer. Übersetzen erfordert
Introvertieren, also intensive Gedankenarbeit. Gedankenarbeit kann
nur leisten, wer sich in sich wendet; nichts Anderes bedeutet introvertere in der Übersetzung aus dem Lateinischen. Im Duden wird Introversion definiert als Konzentration
auf die eigene Innenwelt.
Wer imstande ist, sich in sich zu wenden, hat Eigenschaften,
ohne die Übersetzen auf Dauer unmöglich wäre: Introversion zeichnet sich aus
durch die Fähigkeit, besser schriftlich als mündlich zu kommunizieren, ist also
ideal zum Übersetzen, das letztlich nichts Anderes ist als schriftliches
Kommunizieren. Viele Introvertierte haben, so wurde festgestellt, eine größere mentale Ausdauer als Extrovertierte
und sind beharrlicher und unabhängiger, weil sie weniger auf Rückmeldungen ihrer
Umwelt angewiesen sind. Sie denken auch gerne länger nach, bevor sie sich
äußern. Es ist sogar erwiesen, dass die Gehirnbahnen und das vegetative
Nervensystem von Introvertierten besonders auf Konzentration und Reflexion
ausgerichtet sind. Natürlich leugnet niemand, dass auch Extrovertierte diese
Eigenschaften haben können; nur wurden sie an Introvertierten viel häufiger
beobachtet. Und schließlich ist auch kein Mensch hundertprozentig introvertiert oder extrovertiert.
Reden ist Silber, Schweigen wäre in vielen Situationen völlig unmöglich oder unangebracht, aber ist manchmal eben doch Gold. Es steht außer Frage, dass Reden im Prinzip unvollkommen ist. Reden heißt, Begriffsunschärfen, unglückliche Formulierungen und nicht zuletzt auch Fettnäpfchen in Kauf zu nehmen. Wer hat beim Reden schon die Zeit genau nachzudenken? Der Luxus des Nachdenkendürfens ist genau das, was Introvertierte an ihren Berufen schätzen.
Erzählen
Sie mal einem Extro, dass Intros Intro-Tätigkeiten nicht nur Spaß
machen, sondern manchmal sogar Erholung bedeuten können,
und Sie werden ungläubige oder sorgenvolle Blicke ernten: Sieben Stunden
am
Computer, total allein? Ohne zu reden? Wie lässt sich das aushalten?
Durch einschlägige
Studien ist belegt: Intros beziehen gerade aus dem Alleinsein die für
bestimmte
Alltagsaufgaben benötigte Energie. Extros hingegen – gerade wenn sie
extrem
extrovertiert sind – fangen schnell an sich zu langweilen, wenn sie sich
über
längere Zeit keinen Außenreizen aussetzen.