Sonntag, 12. Oktober 2014

BDÜ-Fortbildung 2014 in Hildesheim

Weil ich von meiner ersten Hildesheimer BDÜ-Fortbildung vor zwei Jahren so begeistert war, hatte ich beschlossen, auch an der diesjährigen Veranstaltung vom 9. bis zum 11. Oktober teilzunehmen. Ihr Thema lautete Grundlagen der Mechatronik mit dem Schwerpunkt Fördertechnik. Ich war einen Tag vorher mit dem Zug aus Südengland angereist – von Bristol über London, Brüssel, Köln und Hannover nach Hildesheim. Zugfahren finde ich (meistens) sehr angenehm. Denn was gibt es Schöneres als stundenlang zu lesen oder auch zu übersetzen und dabei weite Strecken zurückzulegen?

Leider waren die Hin- und die Rückreise diesmal ziemlich nervenaufreibend. Aufgrund eines Stellwerkfehlers bei Aachen erreichte mein ICE Köln eineinhalb (!!) Stunden später als laut Fahrplan vorgesehen (weshalb die Deutsche Bahn im Zug als Entschuldigung Schokolade verteilte). Folglich erreichte ich auch Hannover später als geplant, als sich die letzte nächtliche S-Bahn nach Hildesheim schon längst in Bewegung gesetzt hatte. Die Entschuldigung der Deutschen Bahn hierfür: ein Taxi vom Bahnhof in Hannover bis zu meinem Hotel in Hildesheim.

Bühler-Campus in Hildesheim

Wegen der kurzen Nacht war der 1. Tag ziemlich anstrengend, dafür haben der 2. und der (halbe) 3. Tag nach dem Ausgleich meines Schlafdefizits umso mehr Spaß gemacht! Herzlichen Dank, Andreas Reschka, Nils Habich, Bruce Irwin und – ich spreche hier einfach auch im Namen der „Franzosen“ – Gerald Kreißl, für die hervorragenden Vorträge und Erläuterungen. Ich gestehe aber auch, dass ich gerade zur Elektrotechnik keinen so rechten Zugang gefunden habe. Deshalb werde ich derartige Projekte sicherlich auch künftig ablehnen. Stattdessen will ich mich weiter lieber an meine üblichen Gebiete Datenverarbeitung, Telekommunikation und Halbleiterfertigung halten, denn sie sind für mich einfach besser verstehbar.

Trotzdem habe ich einiges nützliches Wissen mitnehmen können. Sicherlich im Physikunterricht vor vielen Jahren schon mal gehört, aber jetzt wieder neu gelernt: Strom lässt sich bildlich gut mit Wasser vergleichen, z. B. um die Funktionsweise eines Stromkreises oder von Kondensatoren zu verstehen. Außerdem prima zu erfahren, weil auf Übersetzerforen manchmal diskutiert: Im Englischen wird sprachlich nicht wie im Deutschen zwischen „steuern“ und „regeln“ unterschieden; stattdessen wird jeweils „control“ benutzt. Sollte eine Unterscheidung aber nötig sein, ließe sich „regeln“ mit „control with feedback“ übersetzen, da hier eine Rückkopplung erfolgt.

Einfachste Form eines Motors

Eine Neuerung im Vergleich zur letzten Fortbildung: Die auf Deutsch erklärten Inhalte und Fachbegriffe wurden diesmal anschließend auf Englisch nach ungefähr demselben Vortragsschema wiedergegeben. Für die Praxis des technischen Übersetzens im Alltag ist diese Verfahrensweise einfach Gold wert! Allen Übersetzern und Übersetzerinnen, die noch keine der Hildesheimer BDÜ-Fortbildungen besucht haben, kann ich sie daher wärmstens empfehlen. Denn wer wie ich bei Übersetzungen viel mit Technik konfrontiert wird, kann von einer derartigen Vermittlung von Fachwissen nur profitieren.

Hildesheim hat einige schöne Ecken!
 
Gerade befinde ich mich auf dem Heimweg im Zug zwischen London Paddington und Bristol Temple Meads. Ich bin hier auf dieser Strecke 12 (!!) Stunden später unterwegs als vorgesehen.  Auf Details will ich lieber gar nicht erst eingehen, aber die Rückreise nach England war eine der unglaublichsten Bahnfahrt-Odyseen, die ich je erlebt habe. Übernachten durfte ich immerhin auf Kosten der Deutschen Bahn in einem sehr netten Hotel in Brüssel Midi, nachdem ich den letzten Eurostar nach London St. Pancras verpasst hatte. Und das alles nur, da der ICE zu Antritt meiner Reise verspätet in Hannover eingetroffen war… Weil ich aber minimalistisch gepackt hatte, musste ich zum Glück nicht viel transportieren. Denn wer begibt sich schon gern schwer bepackt auf eine Odysee?



Freitag, 4. Juli 2014

Minimalismus im Übersetzeralltag


Minimalisten haben mehr Zeit, mehr Geld und weniger Stress. Dass diese Aussage stimmt, weiß ich, seitdem ich vor 3 Monaten angefangen habe, meinen Haushalt, meine Eigentumsgegenstände und mein Büro zu minimalisieren. Minimalistisch leben hat mindestens 28 Vorteile! Joshua Becker nennt sie in seinem Blogeintrag „Benefits of minimalism“. Minimalismus ist laut Duden die bewusste Beschränkung auf ein Minimum oder das Nötigste. Wie lässt er sich umsetzen?

"Mit wenig lebt man gut." (Horaz)

Übersetzen ist ja an sich alles andere als minimalistisch. Übersetzen ist eine so vielschichtige, zeitintensive und komplizierte Tätigkeit, dass sie bisweilen regelrecht ausufert und deshalb gar nicht minimalisiert werden kann. Das kann jeder bestätigen, der professionell jeden Tag übersetzt oder sich schon mal zum Spaß an einer Übersetzung versucht hat. Einige Aspekte meines Berufsalltags lassen sich dennoch minimalisieren, und zwar so:

Minimalistisch lesen („Was muss oder will ich lesen?“)

Ich lese nicht nur gern, sondern muss aus Berufsgründen sogar viel lesen. Gemäß dem Minimalismusprinzip „everything has a home“ wandert mein gesamtes Lesematerial in eine eigens dafür vorgesehene, schöne Schachtel in meinem Büro: Übersetzungen, Artikel oder Blogeinträge, die ich auf Twitter entdeckt habe, Magazine, Briefe, längere E-Mails, interessante Forenbeiträge und auch Bücher. Und am minimalistischsten lese ich natürlich auf meinem E-Reader!

Minimalistisch speichern („Wie überfüllt sind mein Regal und meine Festplatte?“)

Ein überfülltes Regal ist für Minimalisten ein unschöner Anblick. Daher gehören nicht nur der schon erwähnte E-Reader, sondern auch Fachwörterbücher in Form von CD-ROMs oder Downloads zur bevorzugten Ausstattung eines minimalistischen Übersetzerbüros. Aber auch überfüllte Festplatten können Minimalisten ein Dorn im Auge sein! Daher schätzen gerade sie den Nutzen der Cloud mit ihren unzähligen Anwendungsmöglichkeiten wie Cloud-Speichern, Cloud-Übersetzungssoftware, Cloud-Projektmanagementsystemen, Cloud-Foren usw.

Minimalistisch reisen („Wie viel muss ich einpacken?“)

Weil Übersetzer ohne Weiteres mobil arbeiten können, nehme ich meine Arbeitsprojekte oft einfach mit, wenn ich nach Deutschland zu meiner Familie reise. Dabei passt meine Arbeitsausrüstung in eine kleine Tasche. Mein Netbook ist verglichen mit meinen früheren Laptops angenehm klein und lässt sich bequem an meinen großen Bildschirm und meine Tastatur vor Ort anschließen. Zwar muss ich oft auch schwere Wörterbücher mittransportieren, weil bei weitem nicht alle meine Nachschlagewerke als CD-ROM-Installationen vorliegen. Für Wörterbücher, die nur unter älteren Betriebssystemen laufen, hat mir mein IT-kundiger Bruder eine virtuelle Maschine eingerichtet.

Minimalistisch aufheben („Welche Dinge brauche ich wirklich?“)

Als Minimalistin trenne ich mich wie Francine Jay pro Tag von einer Sache, die ich nicht mehr brauche. Die angenehme Folge: Nach 1 Jahr habe ich 365 (unnötige) Dinge weniger! (In einem durchschnittlichen Haushalt gibt es ja angeblich weit über 10.000 Gegenstände.) Dabei kann es sich um ein Buch handeln, das ich nie mehr lesen werde; nicht mehr benötigte Hardware; oder ein ITI- oder BDÜ-Heft, aus dem ich vorher gute Artikel aber noch einscanne. Haben eingescannte Artikel nicht sowieso den Vorteil, dass sie später viel leichter wiederauffindbar sind? Letztlich ist es kostengünstiger, etwas zu entsorgen – statt es aufzubewahren, ständig zu reinigen, zu warten oder zu versichern.

Und minimalistisch übersetzen ist bis zu einem gewissen Grad doch möglich:

Minimalistisch übersetzen („Welche Projekte soll ich annehmen und welche nicht?“)

Unter minimalistischem Übersetzen verstehe ich die Konzentration auf wenige Fachgebiete und die grundsätzliche Ablehnung aller sonstigen Übersetzungsanfragen, um den unnötigen Zeitaufwand bei der Einarbeitung in ganz neue Fachgebiete zu vermeiden. Eine große Rolle spielt meiner Meinung nach auch das Paretoprinzip: Wir erledigen 80% unserer Arbeit in 20% der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Wir benötigen also 80% unserer Zeit, um ein Mehrergebnis von nur 20% zu erzielen! Dieser Unwirtschaftlichkeit sollten wir vorbeugen.

Bücher zum Thema Minimalismus, die mich begeistert haben:
- "Miss Minimalist: Inspiration to Downsize, Declutter, and Simplify" (Francine Jay)
- "Simplify" (Joshua Becker)
- "Clutterfree With Kids" (Joshua Becker)
- "Die Dinge-Diät: Leichter leben mit weniger Kram" (Inge Dinge)
- "Simplify your life: Einfacher und glücklicher leben" (Werner Tiki Küstenmacher, Lothar J. Seiwert)